Ein Passagiersegelschiff segelt von Neapel nach Palermo. Das Schiff ist komfortabel, für die Unterhaltung der Passagiere sorgen Artisten und Musiker aus der sizilianischen Künstlerszene.
Für unseren Passagier interessanter als das musikalische Programm sind die Bilder der blitzenden Wellen in der Sonne, die grüne Insel Ustica, springende Delfine, die das Schiff begleiten, große Schildkröten, die im Meer schwimmen.
Es ist der 2. April 1787. Johann Wolfgang Goethe steht auf der Brücke des Schiffes. Sein Zeichner begleitet ihn. Vor seinen Augen öffnet sich ein wunderschönes Bild: die Stadt Palermo in der strahlenden Sonne, mit hellen Gebäuden und großen Bäumen, rechts der Monte Pellegrino, hinten hohe Berge, die malerische Küste mit Buchten und Landzungen. Eine große Freude erfüllt unseren Reisenden. Das Schiff segelt langsam in den Hafen. Sein treuer Begleiter, der Zeichner Kniep, macht große „Aufnahmen“! Goethe ist fasziniert von diesem Blick, er rührt sich nicht von der Stelle, bis das Schiffspersonal ihn bittet, das Schiff zu verlassen und sich zu seinem Hotel an der Piazza Marina zu begeben.
Was hat vor ca. 250 Jahren unseren Goethe bewogen, von Weimar durch Italien bis Sizilien „incognito“ zu reisen? Er hatte die Berichte von Gebildeten gelesen, die vor ihm dort waren, er hatte auch viele Zeichnungen über das klassische Sizilien gesehen. Er hatte gelesen, was der Franzose Jouvin de Rochefort schrieb: „Eine Italienreise zu unternehmen ohne Sizilien zu sehen, bedeutet das Tor von einem Palast zu sehen, ohne die besonderen Schätze in seinem Inneren zu bewundern“. Tatsächlich bestätigt sich für ihn diese Aussage. Am 7. April, nachdem er einiges in Palermo und Umgebung gesehen hatte, schrieb Goethe: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem“ [sic!].
Er hatte auch interessante persönliche Begegnungen gemacht. Eine lustige Episode fand am Ostersonntag, den 8. April, statt. Goethe war vom Vizekönig zum Mittagessen eingeladen. In der Empfangshalle wartete er mit anderen auf seine Majestät. Ein kleiner Mann erfuhr, dass Goethe ein Deutscher war. Er erzählte, dass er in Erfurt gewesen war und fragte Goethe nach einigen adeligen Familien, die er dort kennengelernt hatte. Goethe konnte ihm passende Notizen geben. Dann fragte der Mann weiter: „Wie geht es dem jungen Mann, der dort das schöne und schlechte Wetter machte, ich habe den Namen vergessen, aber er ist der Autor des ‚Werther‘?“. Goethe tat so, als ob er in seinen Erinnerungen schwelgen würde, dann sagte er: „Der Mensch von dem Sie Informationen haben wollen, steht Ihnen gegenüber“. „Aber Sie sehen jetzt ganz anders aus“. „Von Weimar bis Palermo haben in mir viele Veränderungen stattgefunden“, erwiderte Goethe. Dann kam der Vizekönig.
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